Hintergrund

Wälder erfüllen eine Vielzahl von Funktionen und gerade in Zeiten des Klimawandels gilt es diese Multifunktionalität zu bewahren. Wälder spielen eine herausragende Rolle in den globalen Kohlenstoff- und Wasserkreisläufen. Sie beeinflussen das lokale und globale Klima, liefern Holz, sind Lebensraum für unzählige Arten, Schützen vor Bodenerosion, Hochwasser, Lärm und Immissionen. Außerdem haben Wälder einen hohen Erholungswert. Diese Funktionen können nur vitale Wälder erfüllen, doch zunehmende abiotischen (Dürre, Feuer, Stürme etc.) und biotische Störungen (Schadinsekten, Pilze, Bakterien, Viren) gefährden die Vitalität.

 

Massenvermehrungen von blatt- und nadelfressenden Insekten sind in mitteleuropäischen Eichen- und Kiefernwäldern ein lang bekanntes Phänomen. Der Nadel- und Blattverlust als Folge des Fraßgeschehens kann die Waldfunktionen erheblich und langfristig beeinträchtigen. Je nach Intensität des Insektenfraßes kann es zum Absterben einzelner Bäume und auch ganzer Bestände kommen. Aktuell ist davon auszugehen, dass einige der bekannten Schadinsekten von den global steigenden Temperaturen profitieren und extreme Schadereignisse häufiger werden. Zusätzlich wird es in Folge des Klimawandels zu immer häufigeren und länger anhaltenden Trockenphase kommen. Dadurch werden die natürlichen Abwehrkräfte der Bäume zusätzlich geschwächt und die Regeneration nach dem Fraß erschwert oder unmöglich.

 

Präventiv ist der Waldumbau die beste Maßnahme zur Risikominimierung von Insektenmassenvermehrungen. Da sich dieser Prozess aber über Jahrzehnte erstreckt, bleiben für den akuten Waldschutz nur kurative Maßnahmen, also die Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln (PSM). Die Entscheidung für eine Behandlung basiert grundsätzlich auf den Erkenntnissen eines intensiven Waldschutz-Monitorings und der daraus hervorgehenden Schadprognose. Aktuell ist die Schadschwelle für die Ausbringung von PSM die unmittelbare Bestandsgefährdung durch kompletten Kahlfraß. Dies widerspricht häufig dem übergeordneten Ziel der Sicherung vielfältiger, lokal und regional differenzierter Waldfunktionen, die schon bei geringerem Schadensausmaß signifikant gefährdet sein können. Biotische Schaderreger führen allein und im Komplex mit anderen Faktoren nicht nur zum Absterben von Bäumen und Wachstumsrückgängen, sondern auch zu Vergrasung, verzögerter Waldverjüngung, Blattmasseverlusten, Störungen des Waldinnenklimas, Wasserhaushaltsproblemen bis hin zum Ausfall der Kohlenstoffsenken-Funktion der Wälder und eines temporären oder langfristigen Lebensraumverlustes für seltene oder besonders geschützte Tier- oder Pflanzenarten.

 

Vor diesem Hintergrund ergibt sich die Zielstellung des Vorhabens aus folgenden Fragen:

  • Sind für unsere Gesellschaft signifikante biotische Waldschäden vor dem Hintergrund vielfältiger Ansprüche an die Wald-Ökosystemleistungen auch zukünftig hinnehmbar?
  • Wie viel Leistungsverlust ist – funktionsbezogen und regional differenziert – tolerierbar, und ab wann sind kurative Gegenmaßnahmen einzuleiten?
  • Nach welchen Kriterien können Schadschwellen funktions- und situationsabhängig an die jeweils herrschenden Rahmenbedingungen angepasst werden?

 

Fragen wie diese sind weder vom Waldschutz, von der Forstwirtschaft oder vom Naturschutz allein zu beantworten. Es bedarf überregionaler und partizipativer Forschungsarbeit, um hier (1) zu einer vergleichbaren Wissensgrundlage zu kommen, (2) einheitliche Bewertungsstandards aufstellen und (3) regional bzw. funktionsbezogen differenzierte Handlungsvorschläge formulieren zu können. Das Ziel der geplanten Arbeiten ist es, die methodischen und inhaltlichen Fortschritte der letzten Jahre im Waldschutz zu systematisieren und neue Verfahren zur Erfassung sowohl von biotischen Schäden und ihren Folgen als auch von Stakeholder-Ansprüchen an den Wald in ein weiterentwickeltes System des Waldschutzmanagements zu integrieren. Am Beispiel der potenziell besonders betroffenen Eichen- und Kiefernwälder in den trockenheitsgefährdeten Regionen Deutschlands soll das Vorhaben Beispiellösungen erarbeiten, die in einen übergeordneten Kontext übertragbar sind. Die Ergebnisse kommen dem Schutz der Wälder für alle Eigentumsarten zugute und tragen so zur Sicherung einer nachhaltigen, multifunktionalen Forstwirtschaft auf großer Fläche bei.